In den letzten 20 Jahren
hat sich die Wahrnehmung und Stellung des Ehrenamts bei haupt- und
ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im sozialen Sektor stark
verändert. Wenn man früher Hauptamtliche nach Ehrenamtlichen in ihrer
Arbeitsstelle fragte, hörte man nicht selten: „Haben wir nicht – brauchen wir
nicht“ - obwohl die Angesprochenen bei einem Verein angestellt waren, der von
Ehrenamtlichen geführt wurde.
Heutzutage wird wieder
klarer wahrgenommen, dass der größte Teil sozialer Organisationen letztendlich
von Ehrenamtlichen geleitet wird und dass viele wichtige Entscheidungen über
den Einsatz von hauptamtlichen Ressourcen von Ehrenamtlichen getroffen werden.
Hinzu kommt eine breitere Wertschätzung ehrenamtlicher Arbeit, diese wird in
fast allen Bereichen sozialer Arbeit zumindest als sinnvolle Ergänzung
hauptamtlicher Aktivität gesehen. Fast überall wird rege geworben mit dem Ziel,
Bürgerinnen und Bürger aller Altersgruppen dazu zu bewegen, ehrenamtlich aktiv
zu werden.
Dabei hat sich die Arbeit
mit Ehrenamtlichen erheblich verändert: dort wo sie früher „irgendwie“
mitliefen, sind heute in vielen Betrieben Ehrenamtsmanagerinnen und -manager
tätig, die sich gezielt und systematisch um die Organisation der Arbeit
kümmern. Ehrenamtliche werden oft in Kombination und enger Verzahnung mit
hauptamtlich Tätigen eingesetzt. Die Betriebsabläufe sind nicht mehr
ausschließlich auf die Arbeitsbedürfnisse der Hauptamtlichen ausgerichtet,
sondern rücken im Rahmen einer breiten Qualitätsentwicklung die Bedürfnisse
Derjenigen, für die die Arbeit geleistet wird, in den Focus der
Arbeitsorganisation. Dabei werden die Anforderungen der Ehrenamtlichen an ihr
Arbeitsumfeld mit berücksichtigt. So ist eine Optimierung der Arbeit bei guter
Qualität möglich.
Das löst eine ganze
Reihe von Veränderungen in der Arbeitsorganisation aus:
- man braucht
spezialisierte und gut ausgebildete Ehrenamtsmanager
- man braucht
Hauptamtliche, die ehrenamtliches Personal führen können, und man braucht
Ehrenamtliche, die Hauptamtliche anleiten können.
Neben den zusätzlich
notwendigen Qualifikationen im Bereich der Personalorganisation ist die
Notwendigkeit von fachlicher Fort- und Weiterbildung der Ehrenamtlichen selbst
angestiegen. So wie z.B. beim Technischen Hilfswerk und der Feuerwehr seit
langem komplizierte und teilweise gefährliche Arbeitsprozesse von gut
ausgebildeten Ehrenamtlichen bewältigt werden, so werden inzwischen auch im
Bereich sozialer Arbeit eine ganze Reihe von Qualifikationen angeboten, die
Menschen auf ihren ehrenamtlichen Einsatz fachlich gut vorbereiten. Das reicht
von intensiven Gesprächsführungsausbildungen, wie sie z.B. schon seit einiger
Zeit im Bereich der Telefonseelsorge üblich sind und jetzt auch für andere
ehrenamtliche Beratungs- und Betreuungsfunktionen angewandt werden, bis zu kürzeren
Ausbildungen, wie dem Rollstuhlführerschein, und Ausbildungsreihen zu
Grundlagenwissen, wie sie vom Landesverband Berlin des Paritätischen für
ehrenamtliche Vorstände angeboten wurden.
Die Aufgabe, diese
Ausbildungen zu organisieren, fällt den sozialen Organisationen und ihren
Verbänden selbst zu. Die staatlichen und privaten Hochschulen sind strukturell
in keiner Weise darauf vorbereitet, diese Qualifikationen zu vermitteln. Zum
einen fehlt ihnen der für eine schnelle Umsetzung von fachlichen Bedürfnissen
notwendige Praxiskontakt, zum anderen sind sie in ihrer Arbeitsorganisation
(Berufung neuer Professorinnen und Professoren) nur schwer in der Lage, schnell
auf veränderte Ausbildungsbedürfnisse im Feld sozialer Arbeit zu reagieren.
Die strukturelle
Veränderung sozialer Arbeit unter Einbeziehung von Ehrenamtlichen in
Kernprozesse der Versorgung der Bevölkerung mit sozialen Dienstleistungen wird
sich aller Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren noch verstärken. Sie wird
angetrieben durch eine insgesamt besser ausgebildete Bevölkerung, die mit den
Werkzeugen moderner Technologie und dem Internet in der Lage ist, Informationen
wesentlich effektiver zu verbreiten und zu beziehen, als dies noch vor wenigen
Jahren der Fall war. Erneut gehen neue Entwicklungen und damit verbundene neue
Methoden sozialer Arbeit von Ehrenamtlichen aus. In weitgehend von
ehrenamtlicher Arbeit dominierten Organisationen entwickeln selbstbewusste
Bürgerinnen und Bürger diese neuen Formen und sind nicht mehr bereit, auf den Staat,
öffentliche Finanzierung und den damit verbundenen langsamen bürokratischen
öffentlichen Apparat zu warten. Sie gründen und entwickeln aus dem Bedarf oder
der Not heraus das, was sie brauchen, und kreative Hauptamtliche nehmen diese
Entwicklungen auf und etablieren diese in den Kernbereichen professioneller
sozialer Arbeit.
Die staatlichen
Sozialbudgets sind nicht in der Lage, den schnell wachsenden Bereich sozialer
Organisationen mit hauptamtlichem Personal auszustatten. Die Lücke zwischen
privatem Bedürfnis und staatlicher Finanzierung wird durch Arbeitsformen
kombinierter Tätigkeit von ehrenamtlichem und hauptamtlichem Personal teilweise
geschlossen. Damit stellen sich für verbandlich organisierte soziale Arbeit
neue Anforderungen. Es ist ein breites Feld an Fort- und
Weiterbildungsangeboten notwendig, um die benötigte fachliche Qualifizierung
zu ermöglichen. Es wird Aufgabe der verbandlichen Bildungsorganisationen sein,
diese Formate zu entwickeln und durchzuführen.
Schaut man in die
Angebote der paritätischen Bildungsorganisationen, so ist ein Teil der Arbeit
getan. Angebote zur Ausbildung von Ehrenamtsmanagerinnen und -managern und für
die Qualifizierung ehrenamtlicher Vorstände sind bereits vorhanden. Jedoch
werden viele neue Formate in den verschiedenen Bereichen sozialer Arbeit
zusätzlich notwendig. Als Beispiel sei hier die Arbeit in Jugendeinrichtungen
des Bezirks Marzahn-Hellersdorf in Berlin genannt. Die Förderung der
Einrichtungen wird in Zukunft davon abhängig sein, dass 30 Prozent der
pädagogischen Leistung von Ehrenamtlichen erbracht werden. Solche
Arbeitsmodelle sind ohne Qualifizierung der tätigen Ehrenamtlichen
längerfristig nicht realisierbar. Sie zu entwickeln ist und bleibt Kernaufgabe
verbandlicher Arbeit!
Geschrieben von Beate Häring und Prof. Dr. Stephan F. Wagner
im Auftrag der
Paritätischen Akademie Berlin