Donnerstag, Februar 13, 2014

Inklusion konkret: Zwei Rollstuhlfahrerinnen als neue Ehrenamtliche

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Die Bahnhofsmission Elmshorn wagt ein Projekt: Zwei Rollstuhlfahrerinnen werden ab sofort das Team der Ehrenamtlichen in den blauen Jacken verstärken. Claudia Sahlmann und Erika Clasing möchten anderen helfen - trotz eigener Einschränkungen. Im Team der Bahnhofsmission finden Sie ihre neuen Arbeitsplätze.
Was Erika Clasing und Claudia Sahlmann als Ehrenamtliche erleben - wie sie arbeiten und auf welche Herausforderungen sie und ihre Kollegen stoßen, lesen Sie ab sofort in loser Folge hier auf der Webseite. 

Ein Ehrenamt in der Bahnhofsmission


Die Rampe liegt im Eingang, der Schreibtisch ist einige Zentimeter in den Raum hinein gerückt. In den kleinen, neuen Raum im Erdgeschoss des Elmshorner Bahnhofs steht kein Möbelstück mehr bloß herum. Denn die Bahnhofsmission wagt ein Experiment: Sie wird zwei Rollstuhlfahrerinnen als Ehrenamtliche beschäftigen. Als Bestandteil des Inklusionsprojekts „Weichensteller" sollen zwei Frauen mit Behinderung, Erika Clasing und Claudia Sahlmann, nicht die Hilfeempfangenden sein, sondern die Helfer für andere. Ein Rollentausch. Und dafür wird sich in den nächsten Wochen alles ändern - angefangen bei den Möbeln.

Probetag in der Bahnhofsmission
Erika Clasing  betrachtet sich in der blauen Weste. Passt. In der Weste der Bahnhofsmission mit dem typischen achtspitzigen roten Kreuz wird sie einmal in der Woche viereinhalb Stunden Dienst am Menschen verrichten. „Ich freue mich auf den Kontakt mit den Leuten.“ Der lässt nicht lange auf sich warten. Während Michael Martischus der neuen Ehrenamtlichen den komplizierten Dienstplan erklärt, in den alle zwölf Mitarbeiter sich selbstständig eintragen müssen, kommt Siggi herein. Ein Stammgast, der nach 39 Jahren Leben auf der Straße noch mit den Strukturen eines festen Wohnsitzes fremdelt. Für ihn ist die Bahnhofsmission genau die richtige Anlaufstelle: Direkter Kontakt und die Möglichkeit, dann vorbeizuschauen, wenn er Lust auf eine Tasse Kaffee hat. Und auf ein offenes Ohr. 

Eine Woche später
Probezeit beendet: Beide Rollstuhlfahrerinnen gehören nun zum Team. Claudia Sahlmann allerdings muss gleich mit einer Zwangspause beginnen. Sie fällt für die nächsten drei Wochen als Mitarbeiterin aus. Nicht etwa, weil sie krank ist. Nein, der Fahrstuhl in ihrer Wohnung ist kaputt und die Ersatzteile haben drei Wochen Lieferzeit. So sind die Ehrenamtlichen nun noch zu elft. Spontanes Umdisponieren ist das Team nicht mit den beiden Rollstuhlfahrerinnen gewohnt. „Bei uns ist immer Bewegung“, sagt Leiterin Turkat. Das bringt schon die besondere Ehrenamtsstruktur mit – denn am Elmshorner Bahnhof stehen Helfer, die selbst soziale oder gesundheitliche Probleme mitbringen. Manche von Ihnen hatten einmal Suchtprobleme, andere sind langzeitarbeitslos. Wieder andere haben psychische Probleme. Jeder von ihnen hat seine Gaben und seine Schwächen, pflegt Wiebke Turkat dazu zu sagen. Diese müssen im Dienstplan gut verteilt werden. Manch einer aus dem Team kann gut den Hublift bedienen, ist aber mit dem Führen der Statistik überfordert. Anderen macht die Büroarbeit Spaß, aber sie kommen mit den manchmal fordernden Hilfesuchenden nicht zurecht. Und nicht alle haben die gleiche Fähigkeit, sensibel Gespräche zu führen. Damit der Betrieb läuft, sind alle wichtig. 

November
Der Lift ist repariert - Claudia Sahlmann kann wieder zur Arbeit kommen.
Als erstes widmet sie sich der Statistik. Jeder Kontakt mit Gästen muss dort eingetragen werden. Claudia Sahlmann schaut genau hin, überträgt Zahlen auf das Formular und schlägt dann das Übergabebuch auf. Hier notiert sie für die Kollegen, was es Neues gibt am Bahnhof. „Das macht mir Spa?", sagt Claudia Sahlmann., der die Verwaltungstätigkeit liegt. Am Ende des Jahres wird sich Leiterin Wiebke Turkat über eine genaue Statistik freuen, denn sie muss die Zahlen dem Bundesverband vorlegen. „Man kann schon anhand dieser Strichlisten ablesen, dass es immer mehr Menschen mit psychischen Problemen gibt, die uns aufsuchen", sagt Turkat. Das ist eine zentrale Erkenntnis, denn Leiterin und Team müssen sich auf ihre Besucher einstellen. Fortbildungen müssen auf die Problemlagen abgestimmt werden, Mitarbeiter geschult werden. 

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