Sonntag, Oktober 29, 2006

Die abgabenrechtliche Privilegierung gemeinnütziger Zwecke auf dem Prüfstand

Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen

http://www.bundesfinanzministerium.de

Wenn man bei diesem Link auf der rechten Seite auf Service klickt, und dann auf der nächsten Seite auf Download, dann kann man sich das Gutachten zur Gemeinnützigkeit des Bundesministeriums der Finanzen herunterladen.
Es ist ein interessantes Dokument der inzwischen sprichwörtlichen Weltfremdheit der politischen Klasse in Deutschland. Da wird abstrakt über Begriffe nachgedacht und die tatsächlichen Prozesse des Lebens werden weitgehend ausgeblendet. Es ist unmöglich in einem Blog das in weiten Teilen weltfremde Gutachten zu kommentieren, ohne die Grenzen des Mediums zu durchbrechen, weil fast auf jeder Seite realitätsbezogene Lebenserfahrung durch abstrakte Definitionen ad absurdum geführt werden. Von daher beschränken wir uns darauf, auf dieses Gutachten aufmerksam zu machen, und zitieren nur aus der abschließenden Zusammenfassung drei Punkte. Auf Seite 56 heißt es:
Eine Steuerbegünstigung wegen Gemeinnützigkeit sollte nicht gewährt werden:
- für Leistungen im Bereich des Gesundheitswesens, da - mit Ausnahme der Infektionsbekämpfung - kein externer Nutzen gestiftet wird;
- für Leistungsangebote an bestimmte soziale Gruppen, soweit nicht Mildtätigkeit im Vordergrund steht;
- nach Auffassung der Beiratsmehrheit für die Förderung des Sports, da keine Kollektivgutproblematik besteht. Der Beirat ist einhellig der Meinung, dass eine Förderung für den Jugendsport allerdings in Betracht kommt.
Es lohnt sich fast nicht, auf solche Ideen einzugehen, aber an zwei Beispielen soll kurz ganz praktisch aufgezeigt werden, was das so im wirklichen Leben heißt:
Gesundheit: Inzwischen ist wissenschaftlich gesichert, das ein Teil der Krebserkrankungen durch Virusinfektionen ausgelöst wird. Nach der im Gutachten vertreten Auffassung sind dann Maßnahmen für diese Erkrankungen gemeinnützig, für andere Krebserkrankungen nicht, und wenn der wissenschaftliche Vorschritt weiter geht, und für eine weitere Krankheit das Infektionsrisiko nachweißt, wird diese dann auch steuerbegünstigt. Das sollen dann ein an Krebs erkrankter Mensch alles verstehen und einsehen, und auch das in diesem Bereich der Gesellschaft beschäftigte Fachpersonal.
Viel Vergnügen!
Sport: Die Gutachter betreiben entweder keinen Sport, oder sie sind nur in großen Sportvereinen tätig, in denen eigenständige Jugendsportabteilungen existieren. Ich dagegen mach nur Bogenschießen. Das machen nicht so viele Menschen, also hat mein Verein, wie so viele kleine Sportvereine keine eigenständige Jugendabteilung. Macht bei uns auch keinen Sinn, weil die Jugendlichen lernen in erster Linie durch abschauen und nachmachen, und da ist ein gemeinsamer Sport mit den Erwachsenen ganz sinvoll. Da stehen wir dann also alle gemeinsam im Winter in der Sporthalle, und schießen auf unsere Ziele. Nach den Vorstellungen der Gutachter ist dann nur noch der Teil der Halle zu fördern, in dem die Jugendlichen stehen oder aber alle Erwachsenen haben die Halle zu verlassen, die dann zur Hälfte leer ist. Dann funktioniert der Sport auch nicht mehr, denn der lebt auf Dauer (Förderung des Nachwuchses) von der Gemeinsamkeit von Jung und Alt. Es gebe dann noch die Möglichkeit, solche Sportarten als "Jugendfreundlich" nach den neuen Vorstellungen generell zu fördern, aber das erklär dann einer mal den Fußballern oder den Handballern.
Lebensfremdheit scheint zu einer Leitlinie der Politik in Deutschland zu werden. Dabei wird nicht nur ein Teil der Wirklichkeit nicht mehr gewußt, sondern auch unaussprechbar gemacht. In den letzten Tagen ist dies mit dem Begriff der "Unterschicht" geschehen. Anstatt sich Gedanken zu machen, wie man Menschen in sozial schlechten Verhältnissen behilflich sein kann, ihre Lage zu verbessern, wird der Begriff einfach negativ abgelehnt und aus dem Sprachgebrauch getilgt.

Merke: Was man nicht benennen kann, kann man auch nicht bearbeiten!

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