Samstag, März 22, 2014

Ehrenamt und Kolping

Kolping Europa hat im Jahre 2011 ein interessantes Papier zum Freiwilligenengagement veröffentlicht. Wir dokumentieren dies im Folgenden:




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Freiwilligenengagement im Kolpingwerk

Die Europäische Union hat 2011 zum Europäischen Jahr der Freiwilligentätigkeit erklärt. Sie will durch die Ausrufung dieses Jahres erreichen, dass sich mehr europäische Bürger im Bereich der Freiwilligenarbeit engagieren, dass staatliche Rahmenbedingungen für freiwilliges Engagement weiter verbessert werden, dass zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich auf Freiwilligenarbeit stützen, gestärkt werden und dass Freiwilligenarbeit in der Gesellschaft eine größere Anerkennung findet.

Die Bedeutung von Freiwilligenarbeit für den Erhalt und die Funktionsfähigkeit freiheitlicher Gesellschaften ist in den letzten Jahren immer wieder betont worden. Dabei wurde auch deutlich, dass je nach gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sich das Ausmaß und der Umfang von Freiwilligenengagement in den Staaten Europas deutlich unterscheiden und es einer Freiwilligenkultur bedarf, die dem einzelnen Bürger zu ehrenamtlichem Engagement ermutigt und den notwendigen Freiraum für freiwilliges Engagement eröffnet. Doch nicht nur die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind für ein Freiwilligenengagement entscheidend, sondern auch die individuellen Einstellungen und Erwartungen an ein Freiwilligenengagement. Diese Einstellungen haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Bestand Freiwilligenengagement in der Vergangenheit für viele Menschen in der Bereitschaft, sich in hierarchische Strukturen von Nichtregierungsorganisationen einzubinden und etwa durch Wahl Führungsämter über einen längeren Zeitraum zu übernehmen, so suchen heute Freiwillige oft Felder zur Selbstverwirklichung und zur Mitgestaltung in einem projektorientierten, zeitlich befristeten Engagement.

Das Verständnis von Ehrenamt und Freiwilligenengagement im Kolpingwerk

Im Kolpingwerk hat das ehrenamtliche Engagement bzw. das Freiwilligenengagement eine lange Tradition. Aus Anlass des durch die Vereinten Nationen beschlossenen Jahres des Ehrenamtes 2001 hat KOLPING INTERNATIONAL für sich das Ehrenamt folgendermaßen definiert: „Ehrenamtliches Engagement ist der unentgeltliche, freiwillige Einsatz von Einzelnen für eine gemeinwohlorientierte Aufgabe, die in der Freizeit stattfindet. Ehrenamtliches Engagement kann dabei sowohl die Übernahme einer konkreten Aufgabe sein, die Ausdruck von Nächstenliebe ist und die Hilfe von Mitmenschen in einer konkreten Notsituation zum Ziel hat, wie aber auch die Übernahme einer auf längere Frist hin angelegte Aufgabe in einer Organisation, die sich gemeinwohlorientierte Aufgaben zum Ziel gemacht hat.“

Die Bedeutung und der Stellenwert des Ehrenamtes im Kolpingwerk

Im Kolpingwerk hat das Ehrenamt oder das ehrenamtliche Engagement als Ausdruck der Freiheit und Würde des Menschen und seiner Mitverantwortung für die Lösung gemeinwohlorientierter Aufgaben immer eine große Bedeutung gehabt. Dabei hat das Kolpingwerk die Erfahrung gewonnen, dass die ehrenamtliche Übernahme von Verantwortung für sich selbst, für Personen und Dinge, für das Gemeinwesen und die Gesellschaft immer spezifische Lern-, Bildungs- und
Entwicklungschancen eröffnet, die die Persönlichkeit des ehrenamtlich Handelnden stärken und ihm ein größeres Selbstvertrauen vermitteln. Neben diesen persönlichen Perspektiven für den ehrenamtlich Handelnden versteht es das Kolpingwerk aber auch als bürgerschaftliche Pflicht, sich aktiv im Sinne des Gemeinwohls zu engagieren.
Das Kolpingwerk setzt daher auf allen Ebenen in starkem Maße auf ehrenamtliches Engagement sowohl im Hinblick auf die Besetzung von Führungsämtern, wie auch bei der Durchführung konkreter verbandlicher Initiativen und Aktionen. Vor diesem Hintergrund ist das Kolpingwerk – wie alle zivilgesellschaftlichen Verbände – darauf angewiesen, immer wieder Freiwillige für eine ehrenamtliche Mitarbeit zu gewinnen. Dies setzt jedoch voraus, dass sich das Kolpingwerk den neuen und zum Teil veränderten Voraussetzungen für ein Freiwilligenengagement stellt.

1. Unterschiedliche Lebensstile brauchen unterschiedliche Zugänge zur ehrenamtlichen Arbeit
Der von jedem Individuum gewählte Lebensstil und die aktuelle Lebensphase, in der eine Person steht, haben entscheidende Auswirkungen darauf, welche Art von ehrenamtlichem Engagement eine Person attraktiv findet und wie ihre Beweggründe und Bedingungen zur Mitarbeit aussehen. Wenn das Kolpingwerk das unter seinen Mitgliedern vorhandene Potential von ehrenamtlicher Mitarbeit nutzen will, muss es immer wieder neue und verschiedenartige Wege finden, wie dieses Potential ausgeschöpft werden kann. Dabei muss es sowohl für kurzfristige projektorientierte Einsätze Angebote geben wie auch für ein längerfristiges Engagement beispielsweise durch die Übernahme von Leitungsaufgaben.

2. Kolping pflegt eine Kultur der Vielfalt der Charismen

Die Mitglieder im Kolpingwerk haben unterschiedliche Neigungen, Begabungen und Fähigkeiten, die bei der Ausgestaltung von Angeboten des Freiwilligenengagements berücksichtigt werden können und müssen. Um möglichst viel vorhandenes Potential an Freiwilligenarbeit zu nutzen oder auch Nichtmitgliedern anbieten zu können, pflegt die Kolpingsfamilie eine Auflistung von Aufgaben, die durch ehrenamtliches Engagement im Sinne des Kolpingwerkes aufgegriffen
werden könnten. Jede Kolpingsfamilie sollte so etwas wie eine Ehrenamtsbörse sein. Damit die Mitglieder ihre sicher unterschiedlichen Talente und Charismen auch als Möglichkeit zu ehrenamtlichem Engagement verstehen, muss im Kolpingwerk auf allen Ebenen eine Atmosphäre der Offenheit gepflegt werden, die unterschiedliche Talente für unter-
schiedliche Aufgaben fördert und einsetzt.

3. Ehrenamtliches Engagement bedarf der Qualifizierung

Ehrenamtliches Engagement im Kolpingwerk und in der Gesellschaft wird mit immer höheren Anforderungen konfrontiert. Daher ist das Kolpingwerk gefordert, seine Mitglieder für ihr ehrenamtliches Engagement zu qualifizieren. Das Qualifizierungsangebot sollte sich dabei sowohl darauf richten, die ehrenamtlich Tätigen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu stärken, wie auch, sie mit notwendigen Fachkenntnissen für das jeweilige ehrenamtliche Engagement zu qualifizieren. Die Weiterentwicklung persönlicher und sozialer Schlüsselkompetenzen sollte nach Möglichkeit durch Zertifikate bestätigt werden.

4. Kolping bemüht sich um eine Kultur der Anerkennung

Ehrenamtliches Engagement braucht Anerkennung und Wertschätzung. Im Kolpingwerk muss daher eine Kultur der Anerkennung entwickelt werden, die durch angemessene und sichtbare Formen zum Ausdruck gebracht wird. Eine zentrale Form der Anerkennung stellt der Respekt für die erbrachten Leistungen und Erfahrungen des Ehrenamtlichen dar. Dies wird vor allem auch dadurch erreicht, dass der Ehrenamtliche von den Mitgliedern und Führungskräften anderer Ebenen eine Resonanz auf seinen ehrenamtlichen Einsatz erfährt und dieser Einsatz für ihn erkennbar bemerkt und gewürdigt wird.

5. Ehrenamtliches Engagement bedarf angemessener gesellschaftlicher Rahmenbedingungen

Das Kolpingwerk sieht eine Aufgabe darin, sich für gesellschaftliche Rahmenbedingungen einzusetzen, die es Frauen und Männern gleichermaßen ermöglichen, neben ihrer Erwerbs- und Familienarbeit ehrenamtlich tätig zu sein. Regierungen sind gefordert, durch eine subsidiär angelegte Politik die notwendigen Frei- und Spielräume für ein ehrenamtliches Engagement zu schaffen, um damit auch der Zivilgesellschaft entsprechende Mitgestaltungsmöglichkeiten einzuräumen. Durch eine solche Politik erfolgt eine neue Machtbalance zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft.

Beschlossen durch die Kontinentalversammlung des Europäischen Kolpingwerkes am 1. Mai 2011 in Krakau / Polen.

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