Deftige Worte waren es, mit denen Degenfechterin und Olympionikin Imke Duplitzer die Situation im Deutschen Sport beschrieben hat. Die Verantwortlichen würden in einem „Wolkenkuckucksheim“ leben, ja, sie würden „gar nichts mehr raffen“. Und wenn man in der Beletage des deutschen Spitzensports nicht bald aufwachen würde, dann stünde es schlecht um Zukunft des Sports in Deutschland. Neben den undurchsichtigen Förderkriterien im Spitzensport ist vor allem Nachwuchsmangel in den Sportvereinen ein Problem. Damit einhergeht auch die Frage, wie man den seit Jahren existierenden Mangel an Betreuern, Trainern und freiwilligen Helfern angehen will.
Ist die Nachwuschs-Situation wirklich so dramatisch, wie Duplitzer es beschreibt? Dazu lohnt ein Blick in die Statistik Die empirische Grundlage dafür sind die so genannten „Freiwilligensurveys“ der Jahre 1999, 2004 und 2009. In einer sportbezogenen Sonderauswertung der Freiwilligensurveys durch das Forschungszentrum für Bürgerschaftliches Engagement an der Humboldt-Universität zu Berlin, wurden zentrale Ergebnisse zum freiwilligen und ehrenamtlichen Engagement im Sportbereich festgehalten.[1] Dabei zeigt sich: Der Sport ist immer noch der größte Bereich gemeinschaftlicher Aktivitäten mit steigender Tendenz. Sport und Bewegung ist unter den 14 Handlungsbereichen, die in den Freiwilligensurveys empirisch erfasst wurden, der Bereich mit der höchsten Gemeinschaftsaktivität in der Bevölkerung. 2009 waren im Sportbereich rund 42% der ab 14-Jährigen in gemeinschaftliche Aktivitäten involviert (2004: 39,9% 1999: 36,6%). Im Sportbereich sind außerdem rund 10% der ab 14-Jährigen ehrenamtlich und freiwillig engagiert. Somit erreicht der Sport mit deutlichem Abstand die höchste Engagementquote.
Alles bestens also? Meckern auf hohem Niveau? Mitnichten. Problematisch wird es nämlich, wenn man sich die Perspektive des sportlichen Engagements anschaut. Während zwischen 1999 und 2004 die Engagementquote im Sportbereich nur geringfügig zurückging (1999: 11,2% 2004: 11,1%), hat sich der Rückgang der Engagementquote zwischen 2004 und 2009 erheblich dynamisiert (2004: 11,1% 2009: 10,1%). Noch deutlicher wird die Entwicklung in Anbetracht der Absolutzahlen. So entspricht der Rückgang von einem Prozentpunkt einem Verlust von ca. 650.000 Engagierten im Sportbereich. Aufgrund der hohen Vereinsanbindung des Engagements werden diese Verluste besonders in den Sportvereinen „spürbar“ sein.
Die Gründe für den Rückgang des Engagements im Sportbereich sind vielfältig. Zum einen spielt sicherlich die sich verstärkende Transformation vom „traditionellen“ zum „modernen“ Ehrenamt eine Rolle. Das moderne Ehrenamt ist geprägt durch die immer währende Frage nach dem persönlichen Sinn und Nutzen eines freiwilligen Engagements. Auch Braun macht dies als einen wichtigen Ansatzpunkt aus: „Im Hinblick auf die Gewinnung von neuen und die Bindung von bereits freiwillig Engagierten im Sportbereich stellt sich die Frage, ob das „Freiwilligenmanagement“ der Sportvereine ausreicht, um auch das „neue Ehrenamt“ systematisch zu gewinnen, ohne dabei das „alte Ehrenamt“ und dessen dauerhafte Bindung zu vernachlässigen.“
Aber wie kann man diesem Trend entgegen wirken? Um diese langfristigen Bindungen wieder stärker aufzubauen, ist es wichtig, ganz massiv schon im Kindesalter anzusetzen. Wenn in diesen Jahren kein Bezug zur Zivilgesellschaft (z.B. durch Vereinsmitgliedschaften) aufgebaut werden kann, ist es umso unwahrscheinlicher, dass diese Brücken später noch errichtet werden können. Unter diesem Aspekt ist es auch wieder einmal an der Zeit sich die Frage zu stellen, ob man Kinder wirklich dazu treiben sollte, ihren Schulabschluss in noch kürzerer Zeit durchzuziehen, auch wenn das bedeutet, dass viele potentielle Freizeitaktivitäten (in Vereinen oder auch außerhalb) auf der Strecke bleiben. Ein Gewinn für die Wirtschaft mag sich aus schneller erreichten Schulabschlüssen ergeben, für die Zivilgesellschaft eher nicht.
[1] Braun, S. (2011a). Ehrenamtliches und freiwilliges Engagement im Sport. Sportbezogene Sonderauswertung der Freiwilligensurveys 1999, 2004 und 2009. Schriftenreihe des Bundesinstituts für Sportwissenschaft 2011/03. Köln: Sport & Buch Strauß.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen