Nach dieser Parole sind wohl die Autoren der Denkschrift:
In eigener Regie!
Plädoyer für eine bessere
(Selbst-)Steuerungs- und Leistungsfähigkeit der Bürgergesellschaft
Holger Backhaus-Maul, Stefan Nährlich und Rudolf Speth bei der Erstellung der Denkschrift verfahren. In der 20 Seiten langen Denkschrift setzten sich die drei in der Ehrenamtsszene wohlbekannten, und bisher auch geschätzten Autoren, mit dem "Stand des Spiels" auseinander, und fordern ein radikales Umsteuern in Bezug auf bürgerschaftliches Engagement und ehrenamtliche Arbeit in Deutschland. Den Kernbereich ehrenamtlicher Tätigkeit in der Bundesrepublik, die großen Verbände in den Bereichen Soziales, Sport und Umwelt, die in ihren zahllosen voneinander unabhängigen Mitgliedsorganisationen wesentliche Anteile der die Gesellschaft gestaltenden Aktivitäten der Bürger umfassen, nehmen die Autoren als "in Ehren ergraut wahr".
Die vielen Aktivitäten im Bereich der Kirchen, der jüdischen und muslimischen Glaubensgemeinschaften, das von vehementem Einsatz der beteiligten Bürger getragene Aufkeimen des Buddhismus und des Hinduismus in Deutschland, sowie die zahlreichen sozialen und religiösen Aktivitäten spiritueller Zirkel bewegen sich außerhalb des Wahrnehmungsradars der Autoren. Mit dem so auf einen winzigen Teil eines vielfältigen Gemäldes verengten Blick, kommen die Autoren dann zu dem Schluss, dass die Bürgergesellschaft reorganisiert werden muss, und zwar, man staune, nicht durch die Bürger selbst, sondern durch den Staat.
Das bringen nur deutsche Wissenschaftler fertig. Da fordern sie ein Zurückdrängen des Einflusses der Verbände und der politischen Parteien, und wer soll es richten? Der Staat! Da fällt einem nur Lenin ein, der mal in wütender Enttäuschung über das Ausbleiben der Revolution in Deutschland gespottet haben soll, dass deutsche Revolutionäre halt vor der Erstürmung eines Bahnsteigs eine Bahnsteigkarte kaufen.
Egal, jedenfalls soll alles schön unabhängig sein, am Anfang vom Bundespräsidenten ernannt (da weiß man ja gerade seit dem letzten Bundespräsidentenwahlkampf, dass der völlig unabhängig ist) werden, und es soll natürlich wissenschaftlich evaluiert und auch untersucht und akkreditiert werden.
Wenn die in der Denkschrift geforderten Strukturen zur Finanzierung der Bürgergesellschaft Wirklichkeit werden, dann ist, wenn sich die beteiligten Menschen so verhalten, wie sich Menschen in realen Situationen in den letzten 50 Jahren in Deutschland verhalten haben, mit Folgendem zu rechnen:
Es wird ein undurchsichtiges, von Experten getragenes nationales Steuerungsinstrument geben, das nach sogenannten "wissenschaftlich" abgesicherten Kriterien in einem komplizierten Verfahren Geld an diejenigen verteilt, die es in ihrer bisherigen Verbändestruktur wesentlich einfacher bekommen haben.
Dieses Geld muss irgendwo herkommen, und wahrscheinlich wird man es den in "Ehren ergrauten Verbänden" wegnehmen.
Es wird jede Menge Arbeit durch viel "benötigte" Forschung im Bereich des Ehrenamts für Wissenschaftler geben. Ist auch logisch, denn im Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement, BBE, in dessen Kontext die Denkschrift erschienen ist, sind viele "namhafte" Wissenschaftler aus dem Bereich der Erforschung zivilgesellschaftlicher Strukturen tätig. Völlig transparent wird hier die Füllung der eigenen Tasche gefordert.
Da nun auch Qualitätssicherung der Organisationen mit Ehrenamtlichen betrieben werden soll, verbunden mit Fort- und Weiterbildung und regelmäßigen Akkreditierungen, wird es zu einer aufgeblähten Bürokratie mit geringem Kontakt zur Wirklichkeit kommen. Wer in den letzten Jahren die Akkreditiererei im Rahmen von Hochschulen mitgemacht hat, weiß, wovon die Rede ist.
Das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement wird im Rahmen dieser Reorganisation in starker finanzieller Abhängigkeit von bestimmten Ministerien des Bundes zu einem effektiven Steuerungs- und Kommunikationsinstrument in den Händen des Staates aufgebaut werden. Also so eine Art "gelber" Verband (der Begriff ist in Anlehnung an die Bezeichnung "gelbe Gewerkschaft" gebildet: "Gelbe Gewerkschaft" bezeichnet eine von einem Arbeitgeber ins Leben gerufene Arbeitgeberfreundliche Gewerkschaftsstruktur, die in erster Linie dazu dient, traditionelle Gewerkschaften auszuschalten). Dieser Ausbau ist mit dem Aufbau der Kommunikationsplattform "Engagiert in Deutschland" im Internet voll im Gange. Dabei werden kommunale Ansätze und in Ländern organisierte Netzwerke entweder aufgesogen und eingeordnet oder beseitigt.
Unter dem Mäntelchen liberaler, von korporatistischen Strukturen gewonnener Unabhängigkeit wird ein Apparat in großer Abhängigkeit vom Staat entworfenen, der dann als Aktionsgerüst für einen Staatsverband dienen soll. Die versprochene Unabhängigkeit und Freiheit, entpuppt sich als Illusion. Das Ganze ist eben wohl kein Plan zur Stärkung bürgerlicher Freiheiten, sondern ein Aktions- und Finanzierungswerkzeug des BBE.
Es wird Freiheit gerufen und staatliche Abhängigkeit organisiert, es wird Unabhängigkeit versprochen und ein Netz neuer Verpflichtungen (Qualitätskontrolle, Akkreditierung etc.) geschaffen.
Da dann noch geeigneten Wissenschaftlern, sowohl in den zu schaffenden Beiräten, als auch durch begleitende Forschung, eine Schlüsselrolle in der Steuerung zugewiesen wird, scheint ein uraltes Modell, das der Herrschaft der Philosophen, der Gebildeten, auf. Eine Denkform, die am Anfang zu einer Entwicklung freier Gedanken stand, wird aufgegriffen und als zu erreichendes Endziel definiert. Wie gesagt, vorwärts Männer, wir müssen zurück!!!
Wer die Denkschrift lesen will, findet sie hier:
http://www.aktive-buergerschaft.de
/vab/resourcen/Denkschrift_
Buergergesellschaft_2009.pdf
Ein interessanter Diskussionsbeitrag steht unter folgender Adresse zur Verfügung:
Unter dieser Adresse gibt es einen weiteren Beitrag:
http://marx-blog.de/
2009/05/buergergesellschaft-zivilgesellschaft/
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