Freitag, Oktober 10, 2014

Die Gesellschaft will Ehrenamt fördern! Wie geht das im 21. Jahrhundert?

Schriftliche Zusammenfassung der Keynote von Prof. Dr. Stephan F. Wagner auf der Abschlussveranstaltung der Social Academy 2014 im Luise-Schröder Saal des Roten Rathauses zu Berlin.

Die Gesellschaft will Ehrenamt fördern! Wie geht das im 21. Jahrhundert?

Als ich das Thema gesehen habe, hab ich drei Anläufe gemacht, einen Text dazu zu verfassen, dann hab ich aufgegeben.

Sorry, ich bin kein 68ziger, ich bin Sozialarbeiter! In meine Augen machen Gesellschaften gar nichts, sondern es sind die Menschen in ihnen die mit ihren unterschiedlichen Interessen handeln und Entscheidungen fällen.

Also habe ich das Thema dekonstruiert, jetzt heißt es:

Ehrenamt fördern - wie geht das im 21. Jahrhundert?

Dieser Einstieg hat für diesen Vortrag eine gefährliche Entwicklung eingeleitet, nichts ist mit mehr Risiko verbunden, als ein Professor, der sich anfängt mit sich selbst zu beschäftigen.
Und so nehmen die Dinge ihren Lauf - ich bin fast 60zig, eher ein Kind des 20. Jahrhunderts. Das 21. Jahrhundert war in meiner Jugend die Zukunft, weit weg, Science Fiktion, Roboter und Raumfahrt, Computer und Laserstrahlen! Und jetzt soll ich also über die Zukunft sprechen in der ich lebe. Ich hab mich also vorsichtig umgeschaut, was ist da los? Gelebter Science Fiction, also gut, einfacher Einstieg, was ist denn nun mit der Technik? Tja, irgendwie ist das Ding ein bisschen anders gelaufen, als sich das die Autoren meiner Jugendbücher vorgestellt haben, Raumfahrt ist da, aber nicht viel, und auch eher als Glücksspiel, wie lange hat wer noch Raketen, um die einzige Raumstation zu erreichen, die wir haben?
Aber es sind ein paar andere Sachen da, die so in den meisten Science Fiction Geschichten nicht vorkamen. Jede Menge Computerspiele, und ein völlig irres Internet, indem sich viele von uns mit all ihren Fantasien im Positiven wie im Negativen ausleben. Soziale Netzwerke, Facebook und WhatsApp sind wichtiger geworden als Raumstationen und Planetenbasen. Smart Phones und Tablet Computer erlauben uns, fast jede Person zu jeder Zeit zu erreichen. Privatheit ist exklusiv geworden und wir sind dabei, so etwas wie ein Babygemeinschaftsbewußtsein zu entwickeln, das uns völlig neue Möglichkeiten bietet. Und hier verlasse ich die Technik, sie ist nur Rahmenausstattung und nicht das Eigentliche, das Wesentliche! Das, was zum Schlüsselbegriff unseres Handels geworden ist, ist
Vernetzung!
Ganz deutlich wird dies, wenn man sich für den Bereich ehrenamtlicher Arbeit anschaut, wie in der sozialen Arbeit vor 40 Jahren Ehrenamtliche gesucht wurden. Das ging ganz einfach:
Hier ein hauptamtlicher Sender, der wusste was er wollte, und der dann mit Flyern oder Anzeigen seine Nachricht, ich brauche Ehrenamtliche für...... rausschickte, und auf der anderen Seite Bürger, die darauf reagierten und sich meldeten! und sagten, " hier sind wir. Was sollen wir tun?"  Das Ganze hatte etwas Hierarchisches. Hier die wissenden Spezialisten, die "Hilfstruppen" für ihr Handeln brauchen, damit sie für die wichtigen Dinge mehr Zeit haben, und dort die Laien, die von den Spezialisten angeleitet werden.
Ich überzeichne hier stark, aber irgendwie schwang dieses Bild in der damaligen  Arbeitsweise sozialer Arbeit mit.

Und heute? So wie damals geht gar nichts mehr, wir brauchen heute zwar auch Spezialisten, aber noch viel wichtiger, wir brauchen alle, um eine unendlich komplexe Gesellschaft gemeinsam zu gestalten. Da sind dann auf einmal auch die ehrenamtlich Tätigen in ihren Bereichen Spezialisten und den Hauptamtlichen nicht nur sinnvolle Ergänzung sondern wertvoller Partner!
Aus dem Bedürfnis Einzelner ist ein gemeinsamer Bedarf Vieler gewordene!
Was aber vielleicht noch viel entscheidender ist, diese Vielen haben in ihren Netzwerken heute andere Beziehungen als das früher der Fall war.

Steigen Sie ein, ich lade Sie zu einer kleinen Zeitreise ein, folgen Sie mir bei der Betrachtung der Beziehungen wichtiger Partner in eine gar nicht so ferne Vergangenheit:
Dort stehen sich gegenüber, Vertreter von Wirtschaft und Sozialbereich.

Interesse aneinander: Hmmm, bestenfalls mäßig.

Soziales sagt zu Wirtschaft: "Gebt uns Geld, dann machen wir das mit der Hilfe für die Menschen schon."
Dabei hinter vorgehaltener Hand zu den eigenen Leuten aus dem Sozialbereich:
"Mein Gott sind die dumm, üble Kapitalisten, nichts gescheckt, aber O.K., wir nehmen das Geld und machen was wir wollen, Ätsch!"

Wirtschaft sagt zum Sozialbereich: "Hier habt ihr Geld, macht was, irgendwas Sinnvolles."
Dabei hinter vorgehaltener Hand zu den eigenen Leuten aus der Wirtschaft:
"Oh Gott, was für Schluffis! Aber egal, wird schon irgendwas rauskommen und fühlt sich ja auch gut an, Gutes zu tun."

Also, wenn man da genau hinguckt, war das noch eine sanfte Form des Ablasshandels. Unser Zeitreise führt doch etwas weiter weg, als angenommen, fast noch zum Mittelalter!

Und, Zeitmaschine abgestellt, wie sieht das heute, hier in meiner Zukunft aus?

Also praktisch, hier in den letzten Tagen in der Social Academy in Berlin, da haben Leute aus Wirtschaft und Sozialbereich gemeinsam Wissen für diejenigen zur Verfügung gestellt, die praktisch in vielen kleinen und großen Organisation des Sozialbereichs tätig sind. Und die Sozialos finden dieses Wissen nicht bäh, sondern spannend, und kommen damit auf Ideen die die Wirtschaftsfachleute staunen lassen, und selber wieder auf neue Ideen für ihre Unternehmen bringt.

Kommunikation beginnt!

Das Wirklich wesentliche dabei ist nicht die Technik irgendeiner Science Fiction Fantasy, sondern eine sich verändernde innere Haltung der Beteiligten. Die Anderen, egal von welcher Seite man schaut, sind nicht mehr doof oder schluffig, sondern spannend! Man ist neugierig aufeinander, will etwas sagen und etwas hören, will voneinander lernen. Es füllt sich fast wie verliebt sein an, hat etwas leichtes und macht Lust auf den Aufbruch zu neuen Ufern. Man ist nicht in zwei Sphären voneinander getrennt, sondern arbeitet gemeinsam in einem Stadtteil, an einer Stadt für eine Welt!

Also, Ehrenamt fördern, heißt hier in der Zukunft des 21. Jahrhunderts:

-     Neugierig aufeinander sein

-     Sich kennen lernen

-     Sich vernetzen

-     Voneinander lernen

-     Gemeinsam Verantwortung übernehmen!

Vielen Dank.




 

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