Schriftliche Zusammenfassung der Keynote von Prof. Dr. Stephan F.
Wagner auf der Abschlussveranstaltung der Social Academy 2014 im Luise-Schröder Saal des Roten
Rathauses zu Berlin.
Die Gesellschaft will Ehrenamt fördern!
Wie geht das im 21. Jahrhundert?
Als ich das Thema gesehen habe, hab ich drei Anläufe gemacht, einen
Text dazu zu verfassen, dann hab ich aufgegeben.
Sorry, ich bin kein 68ziger, ich bin Sozialarbeiter! In meine
Augen machen Gesellschaften gar nichts, sondern es sind die Menschen in ihnen
die mit ihren unterschiedlichen Interessen handeln und Entscheidungen fällen.
Also habe ich das Thema dekonstruiert, jetzt heißt es:
Ehrenamt fördern
- wie geht das im 21. Jahrhundert?
Dieser Einstieg hat für
diesen Vortrag eine gefährliche
Entwicklung eingeleitet, nichts ist mit mehr Risiko verbunden, als ein
Professor, der sich anfängt
mit sich selbst zu beschäftigen.
Und so nehmen die Dinge ihren Lauf - ich bin fast 60zig, eher ein
Kind des 20. Jahrhunderts. Das 21. Jahrhundert war in meiner Jugend die
Zukunft, weit weg, Science Fiktion, Roboter und Raumfahrt, Computer und
Laserstrahlen! Und jetzt soll ich also über
die Zukunft sprechen in der ich lebe. Ich hab mich also vorsichtig umgeschaut,
was ist da los? Gelebter Science Fiction, also gut, einfacher Einstieg, was ist
denn nun mit der Technik? Tja, irgendwie ist das Ding ein bisschen anders
gelaufen, als sich das die Autoren meiner Jugendbücher
vorgestellt haben, Raumfahrt ist da, aber nicht viel, und auch eher als Glücksspiel, wie lange
hat wer noch Raketen, um die einzige Raumstation zu erreichen, die wir haben?
Aber es sind ein paar andere Sachen da, die so in den meisten Science
Fiction Geschichten nicht vorkamen. Jede Menge Computerspiele, und ein völlig irres
Internet, indem sich viele von uns mit all ihren Fantasien im Positiven wie im
Negativen ausleben. Soziale Netzwerke, Facebook und WhatsApp sind wichtiger
geworden als Raumstationen und Planetenbasen. Smart Phones und Tablet Computer
erlauben uns, fast jede Person zu jeder Zeit zu erreichen. Privatheit ist
exklusiv geworden und wir sind dabei, so etwas wie ein Babygemeinschaftsbewußtsein zu
entwickeln, das uns völlig
neue Möglichkeiten
bietet. Und hier verlasse ich die Technik, sie ist nur Rahmenausstattung und
nicht das Eigentliche, das Wesentliche! Das, was zum Schlüsselbegriff unseres
Handels geworden ist, ist
Vernetzung!
Ganz deutlich wird dies, wenn man sich für den Bereich ehrenamtlicher Arbeit
anschaut, wie in der sozialen Arbeit vor 40 Jahren Ehrenamtliche gesucht wurden.
Das ging ganz einfach:
Hier ein hauptamtlicher Sender, der wusste was er wollte, und der dann mit
Flyern oder Anzeigen seine Nachricht, ich brauche Ehrenamtliche für......
rausschickte, und auf der anderen Seite Bürger,
die darauf reagierten und sich meldeten! und sagten, " hier sind wir. Was
sollen wir tun?" Das Ganze hatte
etwas Hierarchisches. Hier die wissenden Spezialisten, die
"Hilfstruppen" für
ihr Handeln brauchen, damit sie für
die wichtigen Dinge mehr Zeit haben, und dort die Laien, die von den Spezialisten
angeleitet werden.
Ich überzeichne
hier stark, aber irgendwie schwang dieses Bild in der damaligen Arbeitsweise sozialer Arbeit mit.
Und heute? So wie damals geht gar nichts mehr, wir brauchen heute
zwar auch Spezialisten, aber noch viel wichtiger, wir brauchen alle, um eine
unendlich komplexe Gesellschaft gemeinsam zu gestalten. Da sind dann auf einmal
auch die ehrenamtlich Tätigen
in ihren Bereichen Spezialisten und den Hauptamtlichen nicht nur sinnvolle Ergänzung sondern
wertvoller Partner!
Aus dem Bedürfnis
Einzelner ist ein gemeinsamer Bedarf Vieler gewordene!
Was aber vielleicht noch viel entscheidender ist, diese Vielen
haben in ihren Netzwerken heute andere Beziehungen als das früher der Fall war.
Steigen Sie ein, ich lade Sie zu einer kleinen Zeitreise ein, folgen
Sie mir bei der Betrachtung der Beziehungen wichtiger Partner in eine gar nicht
so ferne Vergangenheit:
Dort stehen sich gegenüber,
Vertreter von Wirtschaft und Sozialbereich.
Interesse aneinander: Hmmm, bestenfalls mäßig.
Soziales sagt zu Wirtschaft: "Gebt uns Geld, dann machen wir
das mit der Hilfe für
die Menschen schon."
Dabei hinter vorgehaltener Hand zu den eigenen Leuten aus dem
Sozialbereich:
"Mein Gott sind die dumm, üble
Kapitalisten, nichts gescheckt, aber O.K., wir nehmen das Geld und machen was
wir wollen, Ätsch!"
Wirtschaft sagt zum Sozialbereich: "Hier habt ihr Geld,
macht was, irgendwas Sinnvolles."
Dabei hinter vorgehaltener Hand zu den eigenen Leuten aus der
Wirtschaft:
"Oh Gott, was für
Schluffis! Aber egal, wird schon irgendwas rauskommen und fühlt sich ja auch
gut an, Gutes zu tun."
Also, wenn man da genau hinguckt, war das noch eine sanfte Form
des Ablasshandels. Unser Zeitreise führt
doch etwas weiter weg, als angenommen, fast noch zum Mittelalter!
Und, Zeitmaschine abgestellt, wie sieht das heute, hier in meiner
Zukunft aus?
Also praktisch, hier in den letzten Tagen in der Social Academy
in Berlin, da haben Leute aus Wirtschaft und Sozialbereich gemeinsam Wissen für diejenigen zur
Verfügung
gestellt, die praktisch in vielen kleinen und großen
Organisation des Sozialbereichs tätig
sind. Und die Sozialos finden dieses Wissen nicht bäh, sondern spannend, und kommen damit
auf Ideen die die Wirtschaftsfachleute staunen lassen,
und selber wieder auf neue Ideen für
ihre Unternehmen bringt.
Kommunikation beginnt!
Das Wirklich wesentliche dabei ist nicht die Technik irgendeiner
Science Fiction Fantasy, sondern eine sich verändernde
innere Haltung der Beteiligten. Die Anderen, egal von welcher Seite man schaut,
sind nicht mehr doof oder schluffig, sondern spannend! Man ist neugierig
aufeinander, will etwas sagen und etwas hören,
will voneinander lernen. Es füllt
sich fast wie verliebt sein an, hat etwas leichtes und macht Lust auf den
Aufbruch zu neuen Ufern. Man ist nicht in zwei Sphären voneinander getrennt, sondern
arbeitet gemeinsam in einem Stadtteil, an einer Stadt für eine Welt!
Also, Ehrenamt fördern,
heißt hier in
der Zukunft des 21. Jahrhunderts:
-
Neugierig aufeinander sein
-
Sich kennen lernen
-
Sich vernetzen
-
Voneinander lernen
-
Gemeinsam Verantwortung übernehmen!
Vielen Dank.
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